Hochschulrecht: Prüfung – Täuschung – Pandemie

Verwaltungsgericht Berlin, U. v. 12.04.2022, 3 K 48920 (§ 126b BerlHG – Corona-Regelung: nicht bei Plagiaten)

Das Verwaltungsgericht Berlin hat im April 2022 entschieden, dass die Regelung des § 126b Abs. 1 BerlHG in Plagiatsfällen nicht anwendbar sein soll. Als Begründung führt das Gericht aus:

  • Der Wortlaut des Gesetzes sei mit den Begriffen „ablegen“ und „nicht bestehen“ nicht eindeutig und treffe keine Aussage dazu, ob auch Täuschungsversuche privilegiert sein sollen.
  •  Nach dem Zweck der Norm scheide eine  Anwendung auf Täuschungsfälle aus: die Regelung sei eine Sonderregelung mit einem klar begrenzten Privilegierungszweck. Die Gesetzgebung habe – im Unterschied zu § 126a Abs. 1 BerlHG – zwar in der Begründung keine Einschränkungen des Anwendungsbereiches hervorgehoben. Allerdings heiße es in der allgemeinen Begründung, dass es Ziel der Vorschrift sei, Benachteiligungen der Studierenden durch die Pandemie zu vermeiden. Der Begründung der Gesetzgebung lasse sich entnehmen, dass denjenigen mit der Sonderregelung pauschal, kurzfristig und unbürokratisch entgegengekommen werden sollte, die im Studienverlauf von Pandemiefolgen betroffen waren. Dem liege der Zusammenhang zwischen pandemiebedingt veränderten Lernbedingungen und von der Gesetzgebung als sinnvoll erachteten Kompensationsmöglichkeiten zugrunde. Es sei eine Kausalität zwischen pandemiebedingten Erschwerungen und dem Nichtbestehen der Prüfung zu verlangen. Diese bestehe bei Plagiatsversuchen nicht.
  • Dieser Zweck spiegele sich auch im systematischen Kontext des Regelungsgefüges wider.
  • Es sei zudem nicht die Absicht der Gesetzgebung gewesen, mit den pandemiebezogenen Sonderregelungen Vorteile zu gewähren, denen nicht zugleich Nachteile aufgrund pandemiebedingter Einschränkungen des Hochschul- bzw. Lernbetriebes gegenüberstehen.
  • Die Täuschung über die Eigenständigkeit der Leistung stehe in keinem wie auch immer gearteten Zusammenhang mit pandemiebedingten Einschränkungen.

Es erstaunt etwas, dass sich das Verwaltungsgericht auf den ersten Absatz von § 126b BerlHG in der Fassung vom 09.10.2020 bis 12.05.2021 beruft. Denn der §126b BerlHG hatte in der Fassung, die der Entscheidung zugrunde lag, nur einen Absatz. Insoweit hinkt auch die Argumentation der Begründung des Gerichs soweit sie sich auf einen nicht vorhandenen Absatz 2 bezieht. Die historischen Argumente aus der Begründung der Gesetzgebung zu § 126a BerlHG und zur Einführung der pandemiebedingten Vorschriften im Zusammenhang mit dem Prüfungsrecht der Hochschulen ist jedoch schlüssig, so dass nicht auszuschließen ist, dass das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg diesem Ansatz folgen würde.

Zur auch verfassungsrechtlich relevanten Frage, ob sich die Auslegung des Verwaltungsgerichts noch im Rahmen zulässiger gerichtlicher Interpretation hält, obwohl der Wortlaut der Vorschrift auch das täuschungsbedingte Nichtbestehen der Prüfung umfasst, nimmt das Gericht selbst unter Bezug auf Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dahingehend Stellung, dass zwischen Wortlaut und Auslegung kein Widerspruch bestehe (das könnte zweifelhaft sein) und Sinn und Zweck des Gesetzes weder konterkariere noch verfehle.

Berlin, 22.12.2022

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