Beamtenrecht (neue Entscheidungen)

1. Wie und Wann muss der Anspruch auf Unteralimentierung geltend gemacht werden? Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21.02.2019, 2 C 50.16

2. Umfasst der Verzicht des Dienstherrn auf die Einrede der Verjährung bereits verjährte Forderungen? OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.12.2018, OVG 4 B 20.16

Zu 1. Mit Urteil vom 21.02.2019 hat das Bundesverwaltungsgericht letztinstanzlich die Klage eines Beamten abgewiesen, der die Feststellung verlangte, dass sein versorgungsrechtliches Nettoeinkommen im Jahr 2004 verfassungswidrig zu niedrig bemessen war.

Interessant und wichtig für zukünftige Verfahren ist die Begründung der Abweisung. Das Bundesverwaltungsgericht befasst sich nämlich nicht mit der Verfassungsgemäßheit der Höhe der Versorgungsbezüge, sondern damit, wann und was Beamte und Beamtinnen im Verwaltungs- und Klageverfahren erklären müssen, damit sich der Dienstherr überhaupt mit der Frage befassen muss, ob das Nettoeinkommen zu niedrig bemessen ist.

In der Praxis ist dies den Beamtinnen und Beamten häufig unklar. Die hier zu besprechende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, macht deutlich, dass die Beamten und Beamtinnen dem Dienstherrn im Verwaltungsverfahren genau erklären müssen, was sie erreichen wollen:

Der Beamte im Fall wendete sich gegen die mit Einführung des Bundessonderzahlungsgesetzes 2004 (BSZG) dauerhaft abgesenkte und verminderte Sonderzahlung zu Weihnachten und verlangte deren unverminderte Fortzahlung. Erstmals im Berufungsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Münster beantragte der Beamte hilfsweise die Feststellung, dass sein versorgungsrechtliches Nettoeinkommen insgesamt im Jahr 2004 zu niedrig bemessen gewesen sei. Das Oberverwaltungsgericht sah diesen Antrag im Ergebnis zwar als unbegründet an, hielt ihn jedoch für zulässig: Es sei davon auszugehen, dass ein Begehren, das sich unmittelbar auf die Auszahlung einer höheren Versorgung richte, im Regelfall zugleich das Verlangen nach einer Feststellung umfasse, das Nettoeinkommen sei insgesamt verfassungswidrig zu niedrig bemessen.

Das Bundesverwaltungsgericht folgte dem Oberverwaltungsgericht darin nicht, sondern stellte fest, dass es keine Auslegungsregel gebe, wonach die Beanstandung einer Vorschrift, die zu einer Kürzung der Bezüge führe, hier die §§ 4 und 4a BSZG, zugleich das Begehren beinhalte festzustellen, dass die Alimentation insgesamt zu niedrig bemessen sei. Es sei vielmehr das klägerische Begehren genau für den Einzelfall zu ermitteln. Das vom Kläger im Verwaltungsverfahren verfolgte Rechtsschutzziel hätte dieser mit der Erhaltung der Sonderzuwendung in ungekürzter Höhe sowie ggf. durch die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der §§ 4 und 4a BSZG 2004 erreichen können. Die (weitere) Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Höhe der gesamten Alimentierung sei nicht in diesem Begehren enthalten. Ein Verwaltungsverfahren, das der Frage nach der Amtsangemessenheit der Alimentation nachgehen müsse, werde nicht bereits in Gang gesetzt, wenn der Beamte oder die Beamtin die Anwendung einer bestimmten Vorschrift beanstande, die zu Leistungseinbußen führt:

Nach der Auslegungsregel des § 133 BGB, die auch auf öffentlich-rechtliche Erklärungen Anwendung findet, ist bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Es kommt darauf an, wie die Erklärung aus der Sicht des Empfängers bei objektiver Betrachtung zu verstehen ist. Maßgebend ist der geäußerte Wille des Erklärenden, wie er sich dem Empfänger nach dem Wortlaut der Erklärung und den sonstigen Umständen darstellt, die der Empfänger bei Zugang der Erklärung erkennen kann. Dieser hat in den Blick zu nehmen, welchen Zweck der Erklärende verfolgt (stRspr, …).

§ 133 BGB gibt eine Auslegung vor, die – im Rahmen des für den Erklärungsempfänger Erkennbaren – den mit der Erklärung angestrebten Erfolg herbeiführt und die Erklärung nicht sinnlos macht (…). Dies gilt insbesondere für die Ermittlung des Inhalts von Erklärungen Privater gegenüber Behörden. Diese dürfen bei der Auslegung die erkennbare Interessenlage des Erklärenden nicht außer Acht lassen. Legt der Private erkennbar einen Rechtsbehelf ein, darf die Behörde der Erklärung keinen Inhalt geben, der die Rechtsverfolgung erschwert oder gar ausschließt, wenn nach den erkennbaren Umständen auch eine günstigere Auslegung möglich ist (…). Die Auslegung verlässt dabei den Rahmen des nach § 133 BGB Vertretbaren, wenn sie der Erklärung einen Inhalt – sei er auch förderlich – beimisst, für den es nach dem geäußerten Willen des Erklärenden und den sonstigen Umständen aus der Sicht eines objektiven Empfängers keinen Anhalt gibt.“) aus der Entscheidung zitiert nach Juris, Randnummern 16 und 17)

Das Bundesverwaltungsgericht ist der Auffassung, dass damit keine überhöhten Forderungen an die Beamten gestellt werden. Für die Geltendmachung des Alimentationsanspruchs genügt es, wenn der Beamte oder die Beamtin bereits im Verwaltungsverfahren zum Ausdruck bringt, dass er/sie sich mit der Höhe seiner Besoldung oder Versorgung insgesamt nicht zufrieden gebe.

Der Beamte im vorgestellten Fall hatte dies erst später im gerichtlichen Verfahren getan. Ein Vorverfahren ist jedoch nur dann entbehrlich, wenn sich der Dienstherr auf die Klage einlässt oder der Zweck des Vorverfahrens ohnehin nicht mehr erreicht werden kann. Dies war im hier vorgestellten Fall zwar sogar gegeben, da sich der Dienstherr noch im gerichtlichen Verfahren eingelassen hatte. Gleichwohl wies das Bundesverwaltungsgericht den Anspruch zurück. Auch die hierfür gegebene Begründung kann in zahlreichen Fällen für Klarheit sorgen:

Der Einwand der unzureichenden Alimentation muss in dem Haushaltsjahr geltend gemacht werden, für das eine höhere Besoldung begehrt wird (vgl. BVerwG, a.a.O, Rn. 33). Da der betroffene Beamte nicht noch im Jahr 2004 geltend gemacht hatte, dass er 2004 nicht mehr amtsangemessen versorgt war, kann er nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts keinen Erfolg haben:

Im Bereich der Beamtenbesoldung und -versorgung kann eine rückwirkende Heilung von Verfassungsverstößen sich … personell auf diejenigen Beamten beschränken, die den ihnen von Verfassung wegen zustehenden Alimentationsanspruch geltend gemacht haben, ohne dass über ihren Anspruch schon abschließend entschieden wurde, und sachlich auf den Zeitpunkt des laufenden Haushaltsjahres, in dem der Beamte seine Unteralimentierung gegenüber dem Dienstherrn erstmals geltend gemacht hat (…).“ vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 35

Zu 2. Ein Berliner Feuerwehrbeamter machte mit Schreiben vom 28.09.2001 und 30.12.2007 für Bereitschaftsdienste die Gewährung von Freizeitausgleich resp. Geldleistungen nach den Grundsätzen der Mehrarbeitsvergütungsverordnung für den Zeitraum vom 01.01.2001 bis 31.12.2004 geltend. Mit Schreiben vom 04.10.2001 bestätigte der Dienstherr den Eingang des ersten Antrags. In einer Mitarbeiterinformation vom 21.04.2008 verzichtete der Dienstherr auf die Einrede der Verjährung etwaiger Ansprüche für Anträge auf Freizeitausgleich und/oder Mehrarbeitsentschädigung, um ein Musterverfahren durchzuführen.

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) sollte nun darüber entscheiden, ob es treuwidrig sei, wenn sich der Dienstherr auf die Einrede der Verjährung für Zeiträume berufe, die im Zeitpunkt der Erklärung vom 21.04.2008 bereits verjährt waren, wie diejenigen des Berliner Feuerwehrmanns für die Zeit vom 01.01.2001 bis 31.12.2004. Das OVG kam zunächst zu dem Ergebnis, dass eine Erklärung, man verzichte auf die Einrede der Verjährung, nicht so ausgelegt werden könne, dass davon ohnehin auch bereits verjährte Zeiträume umfasst sein könnten. Der Dienstherr sei nicht nur berechtigt, sondern nach dem Grundsatz der sparsamen Haushaltsführung grundsätzlich sogar verpflichtet, gegenüber Besoldungs- und Versorgungsansprüchen die Einrede der Verjährung geltend zu machen. Im Einzelfall könne die Einrede der Verjährung zwar als Verstoß gegen Treu und Glauben zu werten sein. Dies erfordere jedoch eine unzulässige Rechtsausübung des Dienstherrn, mithin ein qualifiziertes Fehlverhalten, das nicht unbedingt schuldhaft zu sein brauche, das aber angesichts der Umstände des Einzelfalls die Einrede der Verjährung deshalb als treuwidrig erscheinen lasse, weil der Beamte veranlasst worden sei, verjährungsunterbrechende oder –hemmende Schritte zu unterlassen.

Im Fall des Feuerwehrmanns fand das Oberverwaltungsgericht keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser durch den Dienstherrn dazu veranlasst worden war, auf verjährungshemmende oder –unterbrechende Schritte zu verzichten. Der Beamte habe insbesondere nicht untätig bleiben dürfen, weil der Dienstherr sich nach der Eingangsmitteilung vom 04.10.2001 seinerseits nicht gemeldet habe. Die Mitarbeiterinformation vom 21.04.2008 habe ihrerseits keinen Anlass dazu gegeben, sie so zu verstehen, dass auch bereits verjährte Ansprüche mitumfasst sein sollten. Ein Rechtsverzicht müsse ausdrücklich erklärt, er könne nicht vermutet werden. Aus der Information sei deutlich hervorgegangen, dass der Dienstherr das Musterverfahren abwarten und damit weitere (zukünftige), ggf. erfolgreiche Klageverfahren habe verhindern wollen. Klagen, die wegen bereits eingetretener Verjährung keine Erfolgsaussichten gehabt hätten, habe er nicht befürchten müssen.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision zugelassen, die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

Berlin, 17.10.2019

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