Verfall des Jahresurlaubs – Beamte Deutsche Telekom AG

FACHGEBIET: Beamtenrecht
STICHWORT: Erholungsurlaub/ Deutsche TelekomEs bestehen durchgreifende Zweifel, ob die Regelung des § 7 S. 3 der Erholungsverordnung (EUrlV) eine Regelung darstellt, die mit dem verfassungsgemäßen Gesetzesvorbehalt in Überstimmung gebracht werden kann, weil es sich bei § 7 S. 3 EUrlV im Ergebnis um eine unzulässige Weiterübertragung der Verordnungsermächtigung i.S. des Art. 80 Abs. 1 S. 4 GG handeln könnte. 

(Verwaltungsgericht Potsdam, Beschluss vom 17.04.2012, AZ: 2 K 226.10, vgl. auch NVwZ-RR 2012, 659 f.)

Sachverhalt:

Der Kläger, Bundesbeamter bei der Deutschen Telekom AG, wollte – wie alle anderen Bundesbeamten – auch gem. § 7 S. 2 Erholungsurlaubsverordnung –EurlV- noch innerhalb von 12 Monaten nach Ende des Urlaubsjahres seinen Urlaub nehmen können. Die Beklagte berief sich darauf, dass sie gem. § 7 S. 3 EUrlV in einem von ihr eingeholten Einvernehmen mit den Bundesministerien der Finanzen und des Inneren eine abweichende Regelung getroffen habe und der Kläger seinen Urlaub jeweils bis zum 30.04. des Folgejahres zu nehmen habe.

Der Rechtsstreit wurde in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem der Kläger seinen Urlaub für 2010 bis zum 31.03.2011 genommen hatte. Nach der Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichts Potsdam hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.


Entscheidung:

Nachdem die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen zu entscheiden (§ 161 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO). Unter den gegebenen Umständen entspricht es billigem Ermessen, die Kosten der Beklagten aufzuerlegen.

 

Es bestehen nach summarischer Prüfung durchgreifende Zweifel, ob die Regelung des § 7 S. 3 EUrlV eine Regelung darstellt, die mit dem verfassungsgemäßen Gesetzesvorbehalt in Übereinstimmung gebracht werden kann, weil es sich bei § 7 S. 3 EUrlV im Ergebnis um eine unzulässige Weiterübertragung der Verordnungsermächtigung i.S. des Art. 80 Abs. 1 S. 4 GG handeln könnte. Eine Weiterübertragung ist gem. Art. 80 Abs. 1 S. 4 GG nur möglich, wenn sie gesetzlich zugelassen ist und Subdelegatare den obersten Bundes- und Landesbehörden nachgeordnete Behörden oder juristische Personen des öffentlichen Rechts, nicht aber Private (wie die Deutsche Telekom AG) sind.

 

Dem Umstand, dass der Kläger seinen Urlaub in der vorgeschriebenen Zeit genommen hat, hat für die zu treffende Kostenentscheidung keine Bedeutung, da es dem Kläger nicht zuzumuten ist, ohne zwingenden Grund das Risiko einzugehen, dass der Urlaub teilweise hätte verfallen können.

Anmerkung:
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht Potsdam in seiner Kostenentscheidung vom 17.4.2012 durchgreifende Zweifel an der Verfassungsgemäßheit des in § 7 S. 3 EUrlV geregelten Verfahrens zum Ausdruck gebracht:

 

Wesen- und Eigenarten des Beamtenrechts (Art. 33 Abs. 5 GG) entspricht es, dass der Gesetzgeber für die Regelung des Beamtenverhältnisses, die Verteilung der Rechte und Pflichten  allein zuständig und verantwortlich ist. Der einzelne Beamte hat keine eigenen rechtlichen Möglichkeiten, auf die nähere Ausgestaltung seines Rechtverhältnisses einzuwirken, ebenso wenig ist er nach den hergebrachten Grundsätzen etwa befugt, zur Förderung gemeinsamer Berufsinteressen kollektive wirtschaftliche Maßnahmen zu ergreifen. Das geht ebenso zu Lasten wie zu Gunsten des Beamten. Die gesetzliche Regelung der Beamtenpflichten ist zwar ggf. einer Konkretisierung durch Verwaltungsakt oder innerdienstliche Weisung des Dienstherrn zugänglich, aber in dem Sinne zwingend und abschließend, dass weder durch Vereinbarung noch durch einseitige Erklärung des Dienstherrn oder des Beamten die gesetzlichen Pflichten abgeändert, in ihrem Inhalt verändert oder gesetzlich nicht vorgesehene Pflichten begründet werden können (vgl. BVerwG, U. v. 26.11.1992, 2 C 11.92 m. w. N.). § 89 S. 1 Bundesbeamtengesetz (BBG) sowie § 44 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) bestimmen, dass Beamtinnen und Beamten jährlich ein Erholungsurlaub unter Fortgewährung der Besoldung zusteht. § 89 S. 2 BBG lautet:

 

„Die Bewilligung und Dauer des Erholungsurlaubs regelt die Bundesregierung durch Rechtsverordnung.“

 

Die Formulierung des § 89  S. 1 BBG ist eindeutig. Danach wird allein die Bundesregierung dazu ermächtigt, Bewilligung und Dauer des Erholungsurlaubes zu regeln. Sie wird nicht dazu ermächtigt, die Regelung von Bewilligung und Dauer des Erholungsurlaubes an eine andere Verwaltung zu übertragen. Schon gar nicht dürfte eine Ermächtigung vorliegen, einem Privatunternehmen – wie der Deutschen Telekom AG – diese Aufgaben zu übertragen, auch dann nicht, wenn es oberste Dienstbehörde von Bundesbeamten ist und zwei Bundesministerien ihr Einvernehmen erklären. § 7 S. 3 EUrlV ist mit der Ermächtigungsgrundlage des § 89 S. 2 BBG nicht in Übereinstimmung zu bringen. Für diese Regelung fehlt eine Ermächtigungsgrundlage. Sie verstößt damit gegen das Gesetz und gegen die Verfassung.

 

Die Formulierung des § 89 S. 2 BBG ist nach Inhalt, Zweck und Ausmaß im Sinne des Art. 80 Abs. 2 GG hinreichend bestimmte Ermächtigung lediglich dafür, dass die Bundesregierung Bewilligung und Dauer des Erholungsurlaubes von Beamten regeln darf. Eine darüber hinaus gehende Ermächtigung wird der Bundesregierung nicht erteilt. Ein solches Vorgehen lässt sich nicht mit Artikel 33 Abs. 5 GG in Übereinstimmung bringen.
Martina Zünkler

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Verwaltungsrecht

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